Sind Tablet, Smartphone und Co. die neuen Babysitter?

 

Nicht selten lautet die erste Frage meines Sohnes nach dem Aufwachen: „Wo ist das iPad? Ich möchte was spielen.” Ernüchternde Erkenntnis: Für meinen knapp vierjährigen Sohn bedeutet “spielen”, Zeit mit unserem Tablet zu verbringen. Höchste Zeit, ihm die Nutzung solcher Geräte komplett zu untersagen? Meine Meinung dazu ist durchaus ambivalent…

Denn spätestens nach dem Kakao-Fläschchen wird er fündig

Mit geübten Fingern öffnet er Apps, Fotos und Videos, findet sich auf dem Gerät spielend zurecht, als hätte er nie etwas anderes getan. So stellt sich wohl das Leben eines Vierjährigen in Zeiten der digitalen Revolution dar. Und wer bin ich, ihn vom Tablet zu schubsen und gleichzeitig bei einer Online-Plattform zu arbeiten? Ich schwanke hin und her zwischen Förderung seiner digitalen Kompetenz und Verbot aller elektronischen Gerätschaften als Spielersatz.

Das ist wohl der größte Unterschied zu meinem Aufwachsen in den 70er und 80er Jahren:

Auch, wenn wir natürlich einen Fernseher hatten und leidenschaftlich gern schauten – die meiste Zeit verbrachten wir draußen oder drinnen spielend mit unseren Freunden. In meiner Erinnerung brauchten wir dafür häufig nicht viel mehr als eine Handvoll Kinder, eine Menge Phantasie und was die Spielzeugkiste gerade hergab.

 

Ich gebe es zu: Ich war zwanzig, als ich das erste Mal einen Computer bediente und hatte eine recht vage Vorstellung davon, was eine E-Mail ist. Heute bin ich abhängig von meinem Smartphone. Ich habe mich leider schon des Öfteren selbst dabei erwischt, wie ich schnell noch eine Nachricht tippe, während mein Sohn auf dem Spielplatz wiederholt: „Mama, anschubsen!“ ruft.

Kurzum: Mein Standpunkt zum Thema Kinder und Mediennutzung ist nicht eindeutig!

Und mein Verhalten nicht konsequent: Auf der einen Seite finde ich es alarmierend, ständig und überall damit konfrontiert zu sein. Es gibt bereits Kitas mit digitaler Komplettausstattung. Im Supermarkt begegnet man Eltern, die ihren Kleinen das Handy zustecken, um in Ruhe den Einkauf zu erledigen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden in Deutschland fast so viele Tablets wie Laptops verkauft. 17 Prozent der Kinder zwischen zwei und fünf Jahren wissen laut Statistischem Bundesamt, wie eine App funktioniert.

Tablets werden so immer mehr zum „elektronischen Babysitter-Ersatz“:

Es ist sicherlich nicht so weit, dass wir das Haus verlassen würden, während wir unsere Kids ans iPad gekettet haben, aber wir überlassen unsere Kinder immer mehr technischen Geräten, bringen ihnen so bei, sich von einem Objekt unterhalten zu lassen, statt sich selbst zu beschäftigen.

 

Auf der anderen Seite: Natürlich ist es manchmal anstrengend, sich mit seinen Kindern zu beschäftigen, insbesondere in Situationen, in denen kleine Kinder in der Regel wenig Geduld aufbringen. Und ja: Auch ich habe mir das Schweigen meines Kindes schon „erkauft“. Letztens, im Italien-Urlaub, als der Nachwuchs bereits nach der Vorspeise nicht mehr am Tisch zu halten war: Ein paar Folgen seiner Lieblingsserie auf dem iPad später beschlich uns Eltern schon ein unangenehmes Gefühl, aber zumindest mussten wir unser Essen nicht abbestellen.

Und außerdem: Die Technik entwickelt sich in Lichtgeschwindigkeit!

Kinder müssen einmal mithalten können und sogar möglicherweise als Entwickler und Ingenieure mitgestalten. Beobachten Sie einmal einen geübten Fünfjährigen beim Computerspiel. Er bewegt seine Finger in einer für das menschliche Auge nicht nachvollziehbaren Geschwindigkeit, er reagiert auf das Spiel, bevor Sie überhaupt begriffen haben, dass irgendetwas geschehen ist. Und das gilt auch für Spiele, die er kaum kennt. Das Verständnis für digitale Inhalte jedweder Art ist bei vielen Kids so ausgeprägt, wie wir Erwachsenen es wohl kaum mehr erreichen werden. Für sie ist ihre digitale Umgebung so etwas wie eine Sprache, die sie lernen. Worin wiederum der Haken liegt: Denn sie sollen ja trotzdem auch „echte“ Sprachen lernen, Hausaufgaben machen, sich ausreichend bewegen. Die digitale Welt darf nur Ergänzung zum echten Leben offline sein. Und selbstverständlich kann ein elektronisches Gerät niemals echte menschliche Zuwendung, sei es die der Eltern oder des Babysitters, ersetzen. Jemanden, der mit ihnen spielt, ihnen die Welt erklärt und sie in den Arm nimmt, wenn sie traurig sind oder einfach nur ein bisschen Wärme brauchen.

Aller berechtigten Ambivalenz zum Trotz:

Ich denke, es macht keinen Sinn, Kindern den Zugang zu Tablets, Smartphones und TV ganz zu verbieten. Aber ich habe mir vorgenommen, stärker als bisher feste Regeln für die Nutzung festzulegen. Maximal eine halbe Stunde täglich zu einem festen Zeitpunkt sollte die Mediennutzung meines Sohnes nicht überschreiten. Und wenn er mich dann nach einem langen Tag voller Sandburgen bauen, Vorlesen, Musizieren und gemeinsamen Spielens mit den zahlreichen anderen Kindern in seiner Kita mit großen Augen anguckt und fragt: „Maaama, darf ich Pippi Langstrumpf auf KIKA gucken?“, dann kuscheln wir uns gemeinsam auf’s Sofa und ich schalte gleichzeitig den Fernseher an und mein schlechtes Gewissen aus.

 

Was meinen Sie? Sind Tablets & Co. die neuen Babysitter? Ist es für unsere Kinder wichtig, mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten? Oder gefährden sie gar ihre Entwicklung? Was sind Ihre Erfahrungen? Diskutieren Sie mit! Wir freuen uns auf Ihre Meinung.


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