Viel Lärm um nichts

 

Alle Eltern, ganz gleich wie brillant, ausgeglichen, geduldig, tolerant, begabt, liebevoll und ausgestattet mit einer Küche voller reifer Avocados und frischem Basilikum werden früher oder später erleben, dass ihr Kind einen einzigen Blick auf den Teller vor sich wirft, das Gesicht verzieht und sagt:

 

„BÄÄHH!!! DAS ESS‘ ICH NICHT!!!“

bevor es das Essen empört von sich schieben und sich die folgende Stunde lang weigern wird, seinen Mund wieder zu öffnen.

Das, meine Lieben, ist absolut normal und ein Teil des elterlichen Lernprozesses. Alle Kinder – ebenso wie alle Erwachsenen, die mir bislang begegnet sind – haben Speisen, die sie gerne essen und andere, die sie nicht gerne essen.

Und das ändert sich bei Kindern eben alle halbe Jahre. Oder jede Woche. Oder… stündlich.

Ein Kind, dass Spaghetti am Montag über alles liebt sind und das sich weigert, überhaupt jemals wieder etwas anderes zu essen, bringt es fertig, am Mittwoch skeptisch auf eben jenes Gericht zu schauen und zu schwören, dass Sie versuchen, es mit diesem ekelhaften, ungenießbaren, faden Misthaufen zu vergiften.

Und am Freitag? Da sind Spaghetti wieder DIE Leibspeise.

Es ist ermüdend. Und all die guten Ratschlägen, was Eltern TUN und NICHT sollten, um diesem launenhaften Essverhalten Herr zu werden, würde viele Bücher füllen.

Als ich ein Kind war, war das Ganze recht simpel. Das Motto lautete: Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Wenn du das nicht essen willst, bleibst du eben hungrig. Es gab keine Alternativen oder Extrawürste, keine Rücksichtnahme auf persönliche Vorlieben oder Abneigungen. Das ist dein Abendessen. Iss das! So einfach.

Anders sah es natürlich aus, wenn tatsächlich Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten vorlagen. Zugegeben: Was das Thema Elternsein betrifft, waren die Siebziger eine recht verrückte Zeit… Aber nur, weil Kinder am Esstisch nicht ihren Willen bekamen, bedeutet das noch lange nicht, dass ihre Eltern ihnen absichtlich etwas zu essen gegeben hätten, das ihnen schadet.

In meiner Kindheit wurde kein Gewese um das Thema Essen gemacht.

Weil… es einfach keinen Grund dafür gab.

Aber spulen wir einmal von damals dreißig Jahre nach vorne in die Gegenwart: In jeder Kita oder Schulklasse gibt es mittlerweile Kinder, die bestimmte Lebensmittel oder ganze Lebensmittelgruppen vehement ablehnen. Wenn Sie befreundete Kinder zu sich nach Hause zum gemeinsamen Essen einladen, schicken Sie besser vorab einen Anamnesebogen an deren Eltern und bitten sie, auszufüllen, wie warm das Kind seine Eierkuchen mag, welche Länge Gemüse-Sticks maximal haben dürfen, damit sie sich geruhen, diese zu verspeisen und ob sie ihren Orangensaft mit oder ohne Fruchtfleischstücke trinken.

Denn wenn Sie das nicht tun, dürfen Sie sich auf ein Abendessen voller Stolpersteine gefasst machen und müssen den Besuch womöglich mit knurrendem Magen nach Hause schicken.

Ich hatte schon Freunde meiner Kinder zu Besuch, die sich weigerten, Nudeln zu essen. Ganz normale Nudeln. Sogar ohne Soße!

Einige mögen keinen Käse, andere keine Tomaten, wieder anderen wird schon übel, wenn Sie das Wort Zucchini auch nur hören. Und dann gab es da mal dieses eine Kind, das seit drei Jahren nichts anderes als Weißbrot aß…

Ein schier endloser Katalog an Allergien und Unverträglichkeiten…

Die Liste an Nahrungsmittelunverträglichkeiten, die Kinder heutzutage angeblich alle haben ist wirklich eindrucksvoll. Gluten, Weizen, Milchprodukte, Zucker, Lactose, Stärke, Säure, SPAß… die Liste wird länger und länger.

Ich behaupte nicht, dass es nicht tatsächlich Kinder gibt, die eine oder mehrere dieser Unverträglichkeiten haben. Wenn das der Fall ist, dann ist das nun einmal so und sie benötigen eine spezielle Ernährung, die sie davor bewahrt, Lebensmittel zu sich zu nehmen, die sie nicht vertragen. Es ist aber schlichtweg bemerkenswert, wie sich diese enorme Häufung von Unverträglichkeiten und Aversionen in einer so kurzen Zeit, nämlich innerhalb der letzten Jahre, vollziehen konnte.

Es gibt viele Theorien über Umwelteinflüsse und Änderungen der Inhaltsstoffe unserer Nahrung, über Allergieauslöser in der Luft und im Wasser, über Plastik, über die negativen Folgen von Handystrahlung und natürlich über die Mutter allen Übels: ZUCKER. Darüber, wie all das die Entwicklung der Verdauung und das Immunsystem unserer Kinder beeinflusst und dazu führt, dass sie intolerant oder allergisch gegenüber vielen Dingen werden.

Und manches davon entspricht ziemlich sicher der Wahrheit.

Allerdings bin ich der Meinung, dass es wahrscheinlich eine nicht unwesentliche Zahl von Eltern gibt, die lediglich beobachten, wie ihre Kinder Essen ablehnen und ausspucken. Das bedeutet aber keineswegs, dass sie es nicht vertragen, sondern in der Regel wollen sie einfach nur ein Theater veranstalten. Und ihre Eltern lassen es ihnen durchgehen. Ich kenne Eltern, die drei verschiedene Versionen derselben Mahlzeit zubereiten, nur um alle ihre Kinder zufriedenzustellen.

Und die, ohne es zu beabsichtigen, ihren Kindern beibringen, dass sie, wenn ihnen etwas nicht schmeckt, sich nur deutlich genug beschweren müssen, damit sie etwas anderes bekommen, was sie lieber mögen. Sie können alles haben, was sie wollen, jederzeit. Auch dann, wenn es umständlich ist und keine Notwendigkeit besteht.

Aber genauso funktioniert es ja im Leben – richtig?

Nein, eben nicht.

Vom ersten Tropfen Milch, den wir trinken bis hin zu unserer letzten Mahlzeit kann das Thema Ernährung – und die Ernährung unserer Lieben – sehr kompliziert sein. Ein emotionales Mienenfeld. Mütter wollen sich sicher sein, dass ihr Kind wohlgenährt und versorgt ist. Kinder wollen Aufmerksamkeit von ihren Eltern bekommen. Und einer der einfachsten Wege, das zu erreichen, ist es, einen Affentanz darum zu veranstalten, was sie essen.

Mahlzeiten können zu einer wahren Nervenprobe werden, noch ehe das Essen die Teller überhaupt berührt hat. Doch das geschieht nur, wenn unsere Kinder spüren, dass uns ihr Verhalten auf die Palme bringt und uns zur Weißglut treibt. Auf diese Weise bekommen sie genau das, was sie wollen: Aufmerksamkeit. Daher ist es besser, von Anfang an so entspannt und gelassen wie möglich mit dem Thema Ernährung umzugehen und es sich nicht zu einem Kräftemessen entwickeln zu lassen.

Essen sollte genossen und nicht umkämpft werden! Und ja, wenn Ihr Kind ein Lebensmittel so sehr verabscheut, dass es meint, ihm würde davon übel werden, sollten Sie es selbstverständlich zumindest für eine Weile damit verschonen. Aber diskret, ohne großes Tamtam und ohne dem Thema große Aufmerksamkeit zu schenken.

Nächsten Donnerstag haben sich die Vorlieben Ihres Kindes nämlich eh wieder geändert.

 

 



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